Den Alltag mit einem Palm organisieren

Viele Leute wissen heute gar nicht mehr, womit wir unsere Zeit tot geschlagen haben, bevor der liebe Gott uns Smartphones geschenkt hat. Sicher: Bevor Handys sich das Adjektiv “smart” überhaupt verdient hatten, sprach man einfach von Handys oder sogar Mobiltelefonen.

Wer die Zeit aber aktiv miterlebt hat, erinnert sich auch noch an die wenigen Jahre, in denen überall PDAs auftauchten. Ursprünglich konnten sie weder telefonieren, SMS senden oder gar ins Internet. Mit der Zeit änderte sich das langsam, wodurch die Bewegung zum Smartphone vorangetrieben wurde. Allerdings war die Welt noch von Modems dominiert, so dass die Geräte sich maximal nur kurz “einwählten”, um eben eine Information (z.B. eine E-Mail oder News-Beitrag) herunterzuladen. Ich behaupte, dass PDAs die Wegbereiter für ihre Nachfolger waren, ohne die die Menschen überhaupt niemals so großes Interesse für alles danach gehabt hätten.

Ein Palm m515 Handheld liegt in meiner Hand, auf dessen Bildschirm ein Wochenkalender angezeigt wird.
Marius Timmer Mein Palm zeigt eine volle Woche

Mein erster eigener PDA

Vor fünfzehn Jahren hatte ich schon einmal einen PDA in die Finger bekommen - mit einem Windows-Betriebsystem! Wobei sich das Gerät damals selber Pocket PC nannte und daher vermutlich schon etwas neueres als ein herkömmlicher PDA sein wollte. Das Gerät war von 2006 und besaß neben Infrarot-Kommunikation sogar schon WLAN. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich immer wieder Bubble Breaker gespielt hatte - Zumindest die zwei Wochen, in denen ich mit dem PDA herumgespielt hatte.

Zuhause hatten wir damals noch kein Funknetz, über das ich das Gerät hätte online bringen können. Abgesehen von dem Fakt, dass ich selber erst 13 Jahre alt war und noch gar keine Ahnung davon hatte. Ich wusste zwar was ein Modem ist, aber genau so sehr wusste ich auch, dass ich keines hatte.

Vom PocketPC zum Palm

Auch wenn der PocketPC evolutionär erst nach dem Plam auf den Markt kam, bin ich nun zu einem Palm m515 gewechselt. Ein ehemaliger Arbeitskollege hatte den beim Aufräumen vor vielen Monaten wieder gefunden und sich daran erinnert, dass ich eine Schwäche für alte Hardware habe. Als er mir das erste mal davon erzählt hatte, wusste ich noch gar nicht genau, was da auf mich zu kommen würde. Vor zwei Wochen kam er dann für etwas ganz anderes im Büro vorbei und gab mir auch direkt seinen Palm - inklusive Docking-Station!

Abgefahrene Verkabelung

Zuerst stellte ich den Palm in seine Docking-Station und schloss sie an den Strom an. Dieser erste Schritt war schon gruselig. Denn aus der Station kommt ein Fettes RS232-Kabel, welches ich dann mit einem USB-Adapter an den PC anschließen konnte. Der Adapter wird streng genommen natürlich nicht benötigt, weil ich den Stecker auch einfach an den Seriellen Port meines Rechners anschließen könnte. Aber wenn ich schon mal so einen Adapter habe, nutze ich ihn doch auch. Leider bekommt die Docking-Station ihren Strom aber nicht einfach über das USB-Kabel, da es sich ja (zumindest aus Sicht der Station) nur um eine Serielle Verbindung handelt, über die kein Strom geliefert wird. Darum gibt es eine kleine Buchse direkt im RS232-Stecker, in die man das Stromkabel anschließen kann. Das ist ein richtig heißes Konstrukt!

Erst mal den Akku tauschen

Zu meiner Freude leuchtete die LED am Palm direkt auf und das Gerät startete den Assistenten zum Einrichten des Geräts. Ein Lachen konnte ich mich nicht verkneifen. Nachdem ich den Palm einige Zeit hatte Laden lassen, wollte ich ihn einrichten. Allerdings ging er sofort aus, nachdem ich ihn aus seiner Station nahm. Mir ahnte: Nach 23 Jahren ist der Akku wohl tot. Ich fuhr also mit der Einrichtung fort, durfte den Palm aber nicht aus der Ladestation nehmen. Kurz darauf lernte ich, dass alle Daten im flüchtigen RAM gespeichert werden. Sobald kein Strom mehr da ist, gehen also alle Daten verloren. Ich las später im Netz, dass das auch einer der Gründe ist, wieso man den Plam regelmäßig mit dem Computer synchronisieren sollte.

Ich bestellte mir also einen neuen Akku. Eigentlich bin ich kein großer Fan von iFixIt, weil ich mir denke, dass ich auch für die gleichen Aufgaben wesentlich billigere Werkzeuge zulegen kann. Da wir im Büro aber so ein Set haben, nutzte ich es auch. Es dauerte keine zwei Minuten, die vier Schrauben zu lösen und das Gehäuse auseinander zu bekommen. Dann musste ich nur noch das Kabel vom Akku lösen und mit etwas Vorsicht den geklebten Akku entfernen. Der Rest war dann im Grunde noch mal das selbe nur in umgekehrter Reihenfolge und mit dem neuen Akku.

Ich hätte mich auch gefreut, wenn der Palm m515 mit zwei AAA Batterien arbeiten könnte (einige seiner Vorgänger funktionierten so), aber diese Reparatur war auch sehr überschaubar. Durch das Drücken der Powertaste startete das Gerät direkt und zeigte mir wieder den Einrichtungs-Assistenten. Bevor ich nun irgendwas anderes machte, was sonst wieder nur verloren gehen würde, lud ich den Akku einmal vollständig auf: Ganze 10 Minuten. Kostenpunkt für den neuen Akku: 10 Euro.

Ich würde immer sagen, dass es das Geld wert war. Sicherlich kann man argumentieren, dass es absolut dumm ist, überhaupt Geld in so ein altes Gerät zu stecken. Allerdings habe ich genug Spaß mit dem Palm gehabt um das zu rechtfertigen. Außerdem bin ich begeistert davon, dass ein einzelner 3,7V 700mAh Li-Ion-Akku den Palm problemlos eine Woche mit Strom versorgen kann. Das hängt natürlich stark von der Nutzung ab: Wenn ich nun Stunden lang SimCity daran spiele, wird der Akku auch nur einen Tag halten. Bei meiner normalen Nutzung habe ich nun aber in zwei Tagen noch keinen Prozent der Ladung verloren. Allerdings sind Li-Ion-Akkus dafür bekannt, dass sie lange Zeit die 100% halten und dann mit zunehmender Entladung immer schneller leerer werden.

Software

Nach der Einrichtung des Palms selbst wollte ich mich darum kümmern, die Daten mit dem Computer synchronisieren zu können.

Konnektivität

Aus heutiger Sicht ist die Hardware absolut veraltet. W-LAN oder Bluetooth sucht man vergebens. Die Schnittstellen, um sich mit der Außenwelt zu verbinden sind Infrarot (🤯) und die serielle Schnittstelle. Gleichzeitig kann man aber beide Schnittstellen nutzen um zum Beispiel mit einem Modem zu sprechen und so Daten wie E-Mails auszutauschen. Das habe ich aber noch nicht einrichten können. Meine realistischste Möglichkeit wäre wohl eine PPP- oder SLIP-Verbindung über meinen Rechner aufzubauen. So weit bin ich aber noch nicht.

J-Pilot

Es kostete mich ungefähr zwei Stunden um alles sauber ans Laufen zu bekommen, aber auf meinem Debian-Rechner läuft nun J-Pilot. Die Oberfläche der Anwendung ist etwas in die Jahre gekommen, das mag aber daran liegen, dass der Entwickler es ursprünglich nur für seine Frau und sich geschrieben hatte, was aber auch schon mehrere jahre zurück liegt. Mit der Software kann ich aber meine Termine, Aufgaben, Notizen und Kontakte auf dem Computer bearbeiten und auf den Plam spielen. Außerdem kann ich ein Backup vom Palm machen. Falls der Akku dann doch mal leer gehen sollte, könnte ich zumindest eines der Backups wiederherstellen.

Kommandozeilen-Werkzeuge

Da ich die Kommandozeile sowieso immer bevorzuge, habe ich auch einige Werkzeuge, die mir dabei helfen, noch etwas besser mit dem Palm zu arbeiten, als es mir J-Pilot erlaubt. Auf Palm DB kann ich mir kompatible Anwendungen für mein PalmOS 4.1 Gerät herunterladen, die ich dann anschließend mit pilot-xfer auf dem Palm “installieren” kann:

# SimCity Classic auf den Palm spielen (ja, das gibt es wirklich 🤯)
/usr/bin/pilot-xfer \
    --port /dev/pilot \
    -i SimCity.patched.prc

Resume der ersten zwei Wochen

Entgegen aller Vernunft führe ich den Palm inzwischen täglich mit mir und sorge dafür, dass alle Kalendereinträge und Aufgaben vermerkt werden. Klar, mein Handy kann das auch. Dort wären die Termine sogar direkt online und würden mir auch auf meinen Computern angezeigt werden, ohne dass ich manuell synchronisieren muss.

Das ist jetzt sehr subjektiv, aber irgendwie habe ich ein gestörtes Verhältnis zu meinem Handy: Das Klingeln beim Eintreffen von Nachrichten oder Benachrichtigungen geht mir immer mehr auf die Nerven. Der Palm ist anders: Wenn er ein Geräusch von sich gibt, ist dies immer Zeitgesteuert und ich weiß, es steht ein Termin an, oder irgendeine Deadline läuft gerade ab.

Außerdem ist der Palm immer ein Gesprächsopener: Leute fangen an zu lachen, wenn sie dieses Stück veraltete zeitgeschichte sehen.